Expertentalk mit Marvin Steinberg: Erfolg in der dezentralen Finanzwirtschaft (DeFi)

Die Digitalisierung ist ein Prozess, der aktuell fast jede entwickelte Volkswirtschaft der Welt in Atem hält. Ob nun KI, Prozessautomatisierung, Industrie 4.0 oder autonomes Fahren – die Entwicklungen zeigen, dass wir gesamtwirtschaftlich vor großen Veränderungen stehen. Während es durchaus nicht wenige Menschen gibt, die angesichts dieser Neuerungen um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten, besteht auch immer die Möglichkeit, die Entwicklung als Chance zu nutzen. Genau dies hat unser heutiger Interviewgast getan und damit beachtliche Erfolge erzielt. Marvin Steinberg ist Krypto-Pionier, DeFi-Experte und Selfmade-Millionär. Wir haben ihn heute gefragt, was DeFi genau ist, welche Chancen diese Innovation für die Menschen bietet und warum er den Menschen helfen möchte, das Potenzial auszuloten.
Herr Steinberg, es ist schön, sie heute begrüßen zu dürfen. Sie haben sich schon sehr früh mit DeFi beschäftigt und gehören zu den deutschsprachigen Experten in diesem Bereich. DeFi klingt dabei nach einem Trendwort – doch woher kommt es und was steckt genau dahinter?
Marvin Steinberg: Guten Tag, vielen Dank für die Intervieweinladung. In der Tat habe ich mich schon sehr lange mit DeFi befasst. Das Wort ist eine Abkürzung für dezentrale Finanzwirtschaft und es stammt aus dem Krypto-Jargon. Dies liegt vor allem an der Tatsache, dass es technisch auf der Blockchain-Technologie basiert. Verkürzt gesagt bietet DeFi die Chance dafür, dass Menschen finanzielle Transaktionen ohne die bekannten Intermediäre (Mittelsmänner) wie Banken oder Zentralbanken durchführen können.
Für viele Menschen gelten Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. eher als hochspekulative Geldanlagen. Ist DeFi ein Teil dieser Welt?
Marvin Steinberg (schmunzelt): Es ist genau umgekehrt. Eigentlich sind Kryptowährungen nur ein Teil der DeFi-Welt. Eine ähnliche Frage wurde mir kürzlich schon einmal gestellt. Dort habe ich einen Vergleich angebracht, der eigentlich vom Bitcoin-Experten Andreas Antonopoulos stammt: DeFi und Bitcoin sind wie das Internet und E-Mails.
Bei einem genaueren Blick existieren auch tatsächlich Parallelen. E-Mails waren wirklich die erste sinnvolle Nutzungsmöglichkeit für Internetzugänge. Letztlich wage ich sogar zu behaupten, dass E-Mails zu Beginn einen höheren Bekanntheitsgrad hatten als das Internet an sich. Genauso verhält es sich auch mit den Kryptowährungen und DeFi. Bitcoin und Co. sind Teil dieses Finanzsystems und bieten drei wichtige Funktionen:
- Wertspeicher (Kryptowährungen haben einen bestimmten Wert)
- Zahlungsmittel (Liquidität kann den Besitzer wechseln)
- Anlageobjekt (Der Wert von Kryptowährungen kann sich verändern)
Mit fortschreitender Entwicklung der Blockchain-Technologie zeigt sich allerdings, dass hier noch so viel mehr möglich ist als reine Kryptowährungen. So können Nutzer im DeFi ganz unterschiedliche Finanzprodukte in Anspruch nehmen. Dazu gehören beispielsweise Möglichkeiten der Geldanlage und der Kreditaufnahme. Doch im weiteren Verlauf ist eigentlich alles denkbar, was irgendwie mit dem Finanzbereich zu tun hat. Ob nun Versicherungspolicen, Börsengeschehen, Identitätsmanagement oder auch der Energiebereich. Smart Contracts machen dies möglich.
Smart Contracts? Was bedeutet das genau?
Marvin Steinberg: Smart Contracts sind digital codierte Verträge, die auf vorher festgelegten Bedingungen basieren und in der Blockchain gespeichert werden. Sind alle Bedingungen erfüllt, wird die Transaktion automatisiert durchgeführt. Wer also im DeFi-Bereich eine Transaktion wie „Geld versenden“ durchführen möchte und dies durch entsprechende Klicks zum Ausdruck bringt, setzt einen automatisierten Prüfprozess in Gang. Dabei geht es etwa um Fragen wie:
- Ist die Wallet des Empfängers vorhanden und verfügbar?
- Reicht das eigene Guthaben für eine Zahlung?
- Hat sich der Ausführende entsprechend verifiziert?
Die automatische Ausführung erfolgt nur dann, wenn die Voraussetzungen komplett gegeben sind. Durch die genaue Festlegung und Prüfung der Bedingung wird jedoch kein Mensch wie ein Bankberater oder Kassierer mehr benötigt, um die gewünschte Transaktion auszuführen. Dies reduziert die Fehlerquote und die Kosten – bei gleichzeitiger Erhöhung der Geschwindigkeit.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Chancen im Bereich DeFi?
Marvin Steinberg: Das lässt sich heute noch gar nicht genau abschätzen. Aus meiner Sicht ist jedoch klar, dass das DeFi gegenüber dem heutigen Finanzsystem einfach sehr viele Vorteile hat. Diese werden dafür sorgen, dass immer mehr Menschen ihre finanziellen Transaktionen dezentral durchführen möchten. Nehmen Sie das Beispiel der Kreditvergabe:
Wer heute einen Kredit aufnehmen möchte, muss zunächst einen Antrag bei der Bank stellen. Danach erfolgt eine langwierige Prüfung durch entsprechende Experten. Bis zur Auszahlung kann es gut und gerne 4-6 Tage dauern – in der heutigen Zeit ist das eine Ewigkeit. Durch die Ausschaltung aller Intermediäre wie Banken könnten private Geldgeber bestimmte Bedingungen für einen Kredit festlegen und in einem Smart Contract speichern. Erfüllt ein Kreditnehmer diese Bedingungen, wird der Kredit binnen Minuten ausgezahlt. Die Kosten liegen dabei für alle Beteiligten niedriger, da keine Bank zwischengeschaltet ist, die Gebühren erhebt.
Somit profitieren also sowohl Privatpersonen und Unternehmen mit Liquiditätsbedarf als auch Anleger, die ihr Geld gerne gewinnbringend investieren möchten. Im DeFi Bereich existieren neben dem Lending bereits heute viele weitere Möglichkeiten und Finanzprodukte, um attraktive Renditen zu erzielen.
Darüber hinaus spricht allerdings nichts dagegen, dass auch andere Anwendungen künftig auf die DeFi-Vorteile bauen. So sind schon Versicherungsprotokolle auf Blockchain-Basis im Einsatz und auch dezentrale Börsen (DEX) gewinnen an Bedeutung. Da die Entwicklung noch längst nicht zu Ende ist, dürften sich hier auch für FinTechs noch viele spannende Möglichkeiten ergeben, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Vorteile eines offenen, freien, unzensierten Finanzsystems, welches nicht zentral einfach abgeschaltet werden kann, bieten ein innovationsfreudiges Umfeld.
Sie haben die Chancen für Anleger angesprochen. Welche Finanzprodukte sind denn heute schon sinnvoll nutzbar?
Marvin Steinberg: Wer heute Geld renditeträchtig anlegen möchte, findet im DeFi-Bereich zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten. Mit den Optionen lässt sich mittlerweile nahezu jedes Risikoprofil abbilden. Risikoaverse Anleger können heute auf Blockchain-Protokolle setzen, die ähnlich wie Sparkonten funktionieren, aber aufgrund des Wachstums deutlich mehr Rendite erwirtschaften. Basis sind hier sogenannte Stablecoins, die an eine sichere Fiatwährung wie den US-Dollar gekoppelt werden und so keine hohen Schwankungen aufweisen. In diesem Artikel habe ich bereits das Anchor Protocoll auf der Terra-Blockchain genannt, welches bis 20% Zinsen pro Jahr abwirft. Flankierend besteht die Möglichkeit, auf den Lending-Bereich zu setzen. Auf der Plattform Maker des kalifornisches Startups MakerDAO können Anleger einige Bestände ihrer Kryptocoins hinterlegen und diese Liquidität anderen Kreditnehmern zur Verfügung stellen. So lassen sich ebenfalls Renditen zwischen 6 und 12% pro Jahr in Form von Zinsen erzielen.
Alternativ steht Anlegern auch noch das Liquidity Mining zur Verfügung. Dezentrale Apps (dApps) wie Uniswap bieten hier die Option, eigene Coinbestände als Liquidität zu hinterlegen. So ermöglichen die Investoren den Handel auf dezentralen Plattformen. Die bei einem Tauschhandel anfallenden Gebühren fließen an die Investoren. Zusätzlich erhalten diese auch noch Token der jeweiligen Kryptowährung. Je nach Kursentwicklung der jeweiligen Währung lassen sich so zum Teil sehr hohe Renditen erzielen. Einige Plattformen geben auch Governance Token aus, mit denen die Inhaber über die künftige Entwicklung der Plattform mitbestimmen können.
Wer bereit ist, ein großes Risiko einzugehen, kann natürlich auch weiterhin klassisches Trading mit Kryptowährungen betreiben. Da die Kurse bekannter Kryptowährungen deutlich schwanken, ist ein gutes Money-Management hier allerdings fast schon eine Voraussetzung für den Erfolg. Trading funktioniert heute übrigens auch über oben genannte dApps wie Uniswap. Der große Vorteil: Die Coins befinden sich niemals in der Wallet eines Dritten, sondern werden direkt zwischen Käufer und Verkäufer transferiert – alles dank DeFi.
Wie sehen Sie die Wachstumschancen für DeFi?
Marvin Steinberg: Für mich ist DeFi ganz klar die Zukunft. Das heutige herkömmliche Finanzsystem wird in den nächsten Jahren einen großen Teil seiner Bedeutung verlieren. Intermediäre wie Banken und große Instanzen wie die Zentralbank sorgen dafür, dass die Akteure nicht wirklich frei in ihren finanziellen Entscheidungen sind. Darüber hinaus ist das System im Vergleich zu DeFi ineffizient und teuer. Genau deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, DeFi-Strukturen weiter auszubauen. In einem nächsten Schritt möchte ich möglichst vielen Menschen dabei helfen, DeFi kennen- und schätzen zu lernen.
Wie soll diese Hilfe aussehen?
Marvin Steinberg: Ich schreibe gerade an einem Buch zum Thema DeFi. Darin werde ich zum einen die genauen Zusammenhänge und Funktionsweisen erläutern und zum anderen auch konkrete Tipps geben, wie sich DeFi in der Praxis nutzen lässt. Zusätzlich zeige ich auch die Unterschiede zwischen dem klassischen Finanzsystem und dem dezentralisierten Ansatz genau auf. Mein persönliches Ziel ist es, bis zum Jahr 2025 mindestens eine Milliarde Menschen über das Thema DeFi aufzuklären.
Was treibt Sie an, ein solches Ziel zu erreichen?
Marvin Steinberg: Mir geht es hierbei um die Möglichkeit, wirklich etwas zu verändern. Selbst auf DeFi zu bauen und eventuell dApps wie Uniswap oder MakerDAO für eigene Investments zu nutzen, bedeutet für die Menschen deutlich mehr den Wechsel der Bank oder eines Girokontos. Es ist vielmehr der Schritt zur ersten richtigen finanziellen Freiheit. Meine Vision: 2025 nutzen bereits 1 Milliarde Menschen weltweit DeFi und treffen finanzielle Entscheidung zu ihrem Besten. Durch die hohen Nutzerzahlen existieren viele kreative digitale Lösungsansätze für finanzielle Herausforderungen. Das verbessert das Leben aller, sorgt für mehr Geld im Portemonnaie (oder der E-Wallet) und eine freiere Welt.

Vielen Dank für ihre ausführlichen Antworten.
Marvin Steinberg: Ich habe mich über das Interview sehr gefreut.
Bilder-Quelle: https://marvinsteinberg.com/de